Eine wahre und wunderschöne Liebesgeschichte

Meine Geschichte beginnt Ende der 1920er Jahre in Aurich:

Ein junger Mann arbeitete im elterlichen Betrieb als Bäckergeselle und sein Arbeitstag begann sehr früh morgens.
Außer seiner beruflichen Tätigkeit, pflegte er noch ein besonderes Hobby: er spielte unheimlich gerne Klavier. Auch seine Brüder waren sehr musikalisch und jeder beherrschte ein anderes Instrument. So schlossen sie sich zu einer kleinen Combo zusammen und musizierten im örtlichen Kino als Untermalung der gezeigten Stummfilme.
Im Jahre 1928 widerfuhr dem Bäckergesellen eine besondere Ehre, er wurde zum alljährlichen Schützenkönig gewählt! Mittlerweile stand er vor seinem dreißigsten Geburtstag, hatte auch den Meisterbrief in der Tasche, jedoch war ihm bislang eine nette Partnerin an seiner Seite nicht vergönnt. So ging das aber nicht, meinten seine Schützenbrüder und es müsse schleunigst etwas unternommen werden. Ein Schützenkönig ohne Königin passte nicht ins Bild der damaligen Zeit!
So versuchten seine Schützenbrüder ihn zu verkuppeln und schicken den jungen Mann in die kleine Schneiderei, welche sich in unmittelbarer Nähe seines Elternhauses befand. Angeblich würde dort eine niedliche junge Frau in Lohn und Brot stehen, die würde optimal zu ihm passen.
Neugierig geworden, machte der Bäckergeselle sich auf den Weg und stand kurzerhand mit zitternden Knien vor der jungen Dame. Nachdem er seinen Wunsch äußerte, war sie sehr gerührt von dem netten Angebot, ihn als seine Königin zu begleiten und sagte zu.
Es folgten anschließend noch mehr Treffen, heutzutage würde man es wohl „Dates“ nennen, denn beide waren sich auf Anhieb sehr sympathisch.
Ein Problem gab es allerdings bei den Verliebten, die junge Frau kam aus einer rund 30 Kilometer entfernten Nachbarstadt und beide besaßen nur ein Fahrrad. Liebe versetzt bekanntlich Berge und so scheuchte die junge Frau ihren Verehrer auf´s Rad und man traf sich am Sonntagnachmittag inmitten der Strecke, gemütlich in einer Gastwirtschaft.
Die Beziehung lief gut, festigte sich stetig und ein Jahr später wurde Verlobung gefeiert, zwei Jahre später dann die Hochzeit im Jahr 1931.
Mittlerweile schrieben wir das Jahr 1933 und der erste Sohn wurde geboren, der als Nachfolger für den elterlichen Betrieb vorgesehen war.
Es folgten in kurzen Abständen noch drei weitere Kinder, die beiden letzten erblickten sogar in den Kriegswirren das Licht der Welt.
Sehr viel Arbeit bewältigte das junge Paar und als in den letzten Kriegsmonaten beim großen Bombenangriff in Ostfriesland auch noch der eigene Betrieb samt Wohnhaus in Schutt und Asche gelegt wurde, gaben beide nicht auf, sondern schafften aus eigener Kraft einen Neuanfang. Schnell und provisorisch wurde der Betrieb wieder angekurbelt, dass Leben musste weiter gehen. Die Familie überstand den Krieg, alle blieben zum Glück unverletzt. Nur die traumatischen Folgen, vorallem die der Kinder blieben wie eine große, klaffende Wunde zurück und unbehandelt.
Wir schreiben das Jahr 1960 und die beiden älteren Kinder waren mittlerweile selbst verheiratet und gründeten ihre eigenen Familien. Der Sohn blieb mit Frau und Kind im Betrieb, die Tochter blieb mit Familie in der Nähe. Auch die beiden jüngeren Nachkömmlinge fanden ihr Glück und etwas später gingen die Senioren in den Ruhestand. Der inzwischen gealterte Bäckermeister war müde geworden, sein Herz machte ihm Sorgen und im Juli 1968 hörte es auf zu schlagen.
Nun war das damalige junge Mädchen und stolze Königin des Schützenbruders allein. Sie hatte ihre Enkelkinder gerne in den Sommerferien um sich, aber irgendetwas fehlte.
Immer langsamer baute ihre Gesundheit ab und unmittelbar nach der Konfirmation ihrer ältesten Enkeltochter starb auch sie im Jahre 1974 in einem Seniorenheim.
Jetzt waren beide wieder vereint und mögen im Himmel alle möglichen Schützenfeste feiern, die es gibt.

Dieses ist die Geschichte meiner Großeltern, die in ihrem Leben fast ausnahmslos für alle anderen da waren, sich selbst dabei fast vergaßen.
Ihnen gehört mein allergrößter Respekt und all meine Liebe, heute wie damals.
Vorallem meiner geliebten Omi, die zwar so zart und klein war, jedoch unwahrscheinlich resolut und auch zäh!
Davon bekam ich zum Glück einiges mit auf den Weg in mein eigenes Leben, wofür ich ihr, sowie ihrer ältesten Tochter (meiner Muddi) unendlich dankbar bin.
Wir alle sollten generell mehr Dankbarkeit und Respekt anderen gegenüber zeigen, unser Lebensweg würde dadurch vielleicht etwas leichter, sowie schöner werden.
Allen eine schöne, besinnliche Zeit!