Schulklasse durch Zufall knapp einer Katastrophe entkommen

In einer guten Woche ist dieses Jahr vorbei und genau zu diesem Zeitpunkt jährt sich die allseits bekannte Schneekatastrophe zum 45. Mal.
In Folge eines krassen Temperatursturzes begann es am Morgen des 28. Dezember 1978 zu schneien. Eisige Luftmassen schoben sich über die feuchtwarme Atlantikluft und somit folgte ein schwerer Sturm, daraus resultierten sich dann die vielerorts immensen Schneeberge. Wir hier in Ostfriesland kämpften erst ab Mitte Februar mit den Schneemassen, eine Entspannung der Lage war lange nicht in Sicht. Ich war bereits in der Lehre zur Fachverkäuferin und machte mich am frühen Morgen zu Fuß auf den Weg zur Arbeitsstätte, die nur knapp 2 km entfernt war.
Mit Schnee und orkanartigen Böen ging es hier bei uns erst am14. Februar los, noch am selben Tag folgte ein generelles Fahrverbot, nichts ging mehr.
An dem Tag hätte ich eigentlich zur Berufsschule müssen, sie fiel aus und so fand ich mich bei meiner Arbeitsstelle ein. Jeder, der diese Zeit damals erlebt hat, wird sich sicher noch an die ganzen Widrigkeiten erinnern und sie bleiben auch im Gedächtnis. So auch bei mir. Viele Tiere sind damals der Kälte wegen verendet und auch Menschenleben waren zu beklagen. Ein paar Vermisste wurden sogar erst nach der Schneeschmelze im Mai gefunden!
Fast hätte sogar eine komplette Berufsschulklasse im Februar 1979 ihr Leben verloren, aber nicht durch den Schneewinter, sondern bereits genau eine Woche vorher, infolge einer schweren Explosion.
Eine Woche vor Beginn der Schneekatastrophe, es war der 7. 2. 1979, auch ein Mittwoch, wollte meine Berufsschulklasse samt zwei Lehrkräften einen Ausflug machen. Nach Bremen sollte es gehen, auf dem Lehrplan stand die Besichtigung der dortigen Roland Mühle. Wie gewöhnlich, war ich morgens viel zu spät dran und im Stress. Während ich meine Tasse Tee hinunter stürzte und in den Parka sprang, vernahm ich beim Weggehen noch die Nachrichten aus Muddis Transistorradio auf der Anrichte. Ich wurde hellhörig und erstarrte: in der Nacht gab es in Bremen eine schwere Explosion, es wurde bereits Katastrophenalarm ausgelöst und etliche Straßen waren gesperrt! Die Roland Mühle war am Abend gegen 21 Uhr aufgrund einer Mehlstaubexplosion in die Luft geflogen. Ich schwang mich in Windeseile aufs Rad und hoffte nur, dass der Bus mit meinen Mitschülerinnen noch nicht abgefahren sei.
Völlig abgekämpft erreichte ich die Berufsschule, alles wartete bereits. Mein Klassenlehrer empfing mich mit den Worten: „wo bleibst du? Wir müssen nötig los!“ Er war ziemlich sauer, gut zu erkennen meinerseits, an seiner Bewegung mit dem Zeigefinger entlang seines Kragens. Er war eigentlich ein lustiger Vogel, aber jetzt wusste ich, es käme zur Konfrontation.
„Ihr könnt alle aussteigen,“ teilte ich mit, „die Mühle ist heut Nacht explodiert!“ Ja ja.. meinte mein Lehrer, erzähle keinen Mist und beeil dich! Es dauerte etwas bis ich ihm klar machen konnte, er solle sich insofern selbst überzeugen und sich per Telefon informieren. Er stieg aus den Bus und lief ins Lehrerzimmer. Meine Mitschülerinnen wurden auch langsam ungnädig, eine zischte mir zu: „wenn du keine Lust auf die Tour hast, hättest doch zu Hause bleiben können!“ Ich sagte nichts mehr und verkrümelte mich in die letzte Sitzreihe. Mir kamen so ganz leise Zweifel, was ist, wenn ich mich doch verhört hatte? Aber es stimmte. Unser Lehrer kam zurück und scheuchte uns alle aus dem Bus. Ab in den Klassenraum, wir machen Unterricht!
Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn dieses Unglück sich nur knapp zehn Stunden später ereignet hätte!
Es war in Bremen die schwerste Katastrophe nach dem Krieg, 14 Menschen kamen ums Leben. Noch kilometerweit entfernt flogen Fensterscheiben aus den Häusern und die Feuerwehr brauchte über 65 Tage, um den Brand zu löschen. Die Schäden waren unvorstellbar, zur heutigen Zeit mit rund 129 Mill. Euro einer der kosten reichsten Versicherungsfälle.
Unsere Klasse hatte einfach nur Glück gehabt, wir sind in dieses schlimme Ereignis nicht rein geraten. Egal wer da seine Hände im Spiel hatte, wir blieben hiervon verschont und kämpfen dafür eine Woche später mit den Schneemassen. Auch solche Erinnerungen können zur Sternstunde werden!