Die Kraft der Engel

Freitag, 3. März 2017:
Seit mehr als zwei Monaten befand ich mich im Oldenburger Klinikum. Nach der Diagnose „Akute Leukämie“ wurde zügig mit hochdosierten Chemotherapien begonnen.
Mittlerweile lag ich auf der Station für Knochenmarktransplantationen, isoliert im Einzelzimmer mit geschlossenen Fenstern und Lüftungsanlage, das ich nicht verlassen durfte. Betreten werden durfte das Zimmer nur mit Schutzkleidung und Mundschutz, um alle Keime von mir fernzuhalten.
Die letzte Chemotherapie stand an. Sie sollte mich auf die Transplantation vorbereiten. Da durch die vorherigen Therapien meine Nierenwerte stark beeinträchtigt waren, durfte mir nicht das dafür übliche Medikament verabreicht werden. Bei dem Ersatzmedikament konnten jedoch lebensbedrohliche Nebenwirkungen auftreten. Darauf wies mich der Stationsarzt mehrfach hin. Auf der von mir zu unterschreibenden Einverständniserklärung hatte er diese Information sogar doppelt unterstrichen! Ein Gespräch mit ihm war mühsam für ihn und mich, da er noch mit der deutschen Sprache zu kämpfen hatte und folglich sehr wortkarg war. Einfühlungsvermögen und Mitgefühl schienen ihm fremd zu sein. So saß ich morgens am Tag des Therapiebeginns auf der Bettkante und konnte nicht aufhören zu weinen. Ich hatte Todesangst.
Auf der Fensterbank standen ein paar persönliche Gegenstände, u. a. ein kleiner Engel, der einen Metallstern in den Händen hielt. Meine Freundinnen, die sich große Sorgen machten, hatten ihn mir geschickt. Durch einen Tränenschleier sah ich aus dem Fenster, als die ersten Sonnenstrahlen des Tages auf den Engel trafen. Und dann passierte das Unglaubliche: Der Stern begann zu funkeln! Für mich war es wie ein Wunder: Das konnte doch nur ein Zeichen Gottes sein! Ich war nicht allein!
Die Angst verflüchtigte sich, und mich überkam eine große innere Ruhe. Die angekündigten schweren Nebenwirkungen der Chemo blieben aus, doch es war noch ein steiniger Weg bis zu meiner Entlassung im April 2017.
Während meines fast viermonatigen Krankenhausaufenthalts bin ich noch weiteren Engeln begegnet: Es waren die einfühlsamen, kompetenten Krankenschwestern, insbesondere die einzigartige, lebenslustige Bianca. Da sie immer Mundschutz und Haube trug, sah ich nur ihre wachen, freundlichen, braunen Augen. Mit ihrem großen Wissen konnte sie mir den Arzt ersetzen, meine Fragen beantworten, mir die Angst nehmen, mich immer wieder aufbauen und zum Lachen bringen.
Engel waren für mich auch meine lieben Freundinnen, mit denen ich über WhatsApp in Verbindung stand. Ihr täglicher Zuspruch hat mir so gutgetan und war mir eine große Hilfe!
Und nicht zu vergessen meine wunderbare Familie, die alles hintenanstellte und täglich den Weg nach Oldenburg auf sich nahm, um bei mir zu sein und Freude zu schenken.
Auch zu Hause während der langen schweren Zeit der Genesung, spürte ich immer wieder Gottes Nähe. Ich bin mir sicher, er gab mir die nötige Kraft und Zuversicht, um gesund zu werden. Dass ich lebe, ist nicht selbstverständlich und dafür bin ich unendlich dankbar! Durch die Knochenmarkspende meines Bruders wurde mir am 9. März 2017 ein neues Leben geschenkt.