Live Aid 1985- Krieg und Hunger in Afrika und ich mit meiner Familie mittendrin!

Meine Sternstunde liegt eigentlich schon fast zehn Jahre zurück, als ich der Liebe wegen nach Ostfriesland umziehen durfte.

Aber alles der Reihe nach:
meine Heimat ist Eritrea. Anfang der 80er Jahre wurde mein Land und auch die umliegenden afrikanischen Länder, wie zum Beispiel Äthiopien, von einer katastrophalen Hungersnot heim gesucht. Viele werden sich noch an das berühmte Live Aid Konzert 1985 erinnern, welches zu Gunsten meiner Mitmenschen in Afrika zuteil wurde.
Erschwerend hinzu kam der noch anhaltende Krieg zwischen Eritrea und Äthiopien, es befanden sich Millionen von Notleidenden auf der Flucht. So beschloss auch meine Mutter, sich und uns vier Kinder in eine möglichst bessere Zukunft zu bringen.
Wir machten uns auf den Weg, der uns quer durch die Wüste bis in den Sudan führte, wo uns Bekannte aufnahmen.
Treuer Begleiter war unser Kamel, welches unsere Habseligkeiten trug und so machten wir uns auf den langen, beschwerlichen Weg. Drei Monate waren wir unterwegs, immer wieder plagten uns verschiedene Krankheiten, vor allem Malaria, da es natürlich an hygienischen Mitteln fehlte. Trinkbehälter, wie Glas oder Plastikflaschen standen uns in der Wüste nie zur Verfügung. Alles war provisorisch ausgelegt, als Trinkmöglichkeit von Flüssigkeit diente uns das gegerbte Leder einer geschlachteten Ziege. Wir überstanden alle diese Tortur und nach dem Aufenthalt im Sudan wurde unserem Asylantrag in Deutschland statt gegeben. In Frankfurt angekommen, ging es weiter nach Hannover, von da aus in den Harz. Schließlich endete unsere Odyssee in Bad Harzburg, wo wir Kinder auch zur Schule gehen konnten. Ich war mittlerweile neun Jahre alt, die älteste von uns vier Kindern. In unserem Heimatland Eritrea gibt es drei Amtssprachen: englisch, arabisch und die Landessprache, Tigrinya. Deutsch mussten wir nun lernen und erfuhren damals eine unglaubliche Welle von Hilfsbereitschaft. Sogar Lehrkräfte kamen zu uns nach Haus und lernten mit uns Kindern. Nach der Schule begann ich eine Lehre in einem Bad Harzburger Hotel. Meine Schwester fand Arbeit bei einem Kreditinstitut und zog um nach Mannheim. Ich besuchte sie oft und lernte einen US Soldaten in der dortigen amerikanischen US Base Kitzingen kennen. Kurze Zeit später heirateten wir und mit gerade mal 25 Jahren lernte ich als Frau eines Nato Soldaten die Welt kennen. Egal wo er stationiert war, ich besuchte ihn oft an seinen Stationen. Konnte sogar den Vorteil nutzen, jeden Heimflug dank US Militär mittels Frachtmaschine umsonst zu nutzen. Ankunftsort in Deutschland war immer Rammstein, da dort die US Hauptbase war und von dort aus dann in eigener Regie weiter nach Hause.
Dann ging es für ein paar Jahre in die USA und ich brauchte die Green Card, um dort bleiben und arbeiten zu können. Alles klappte und so pendelten wir in den Staaten zwischen verschiedenen Stützpunkten umher. Einige Zeit arbeitete ich am Flughafen in Memphis, Tennessee, im Bereich check in – check out. Die Vorsichtsmaßnahmen und Kontrollen an Flughäfen, gerade in den USA, wird niemanden mehr überraschen, so war es auch für mich ganz normal, Augen und Ohren bezüglich der vielen Fluggäste offen halten zu müssen. Da kaum jemand bei einer Afrikanerin so gute Deutsch und Englischkenntnisse vermutete, musste ich besonders aufpassen und bei Besuchergruppen sehr wachsam sein, um ggf verdächtige Wortfetzen aufzufangen. Da ich die typische Uniform der Airport Gesellschaft trug, schöpfte auch niemand Verdacht. Dann, im Jahr 2002 wurde ich schwanger und ging zurück nach Deutschland. Nachdem mein Sohn auf die Welt kam, wollte mein Mann zurück in die Staaten und wir gingen zuerst in die Nähe der kanadischen Grenze, dann führte uns die Reise geradewegs runter nach El Paso, Nähe Mexico.
Wieder pendelte ich öfters zwischen Deutschland und die USA umher, eine dieser Reisen werde ich niemals vergessen. Ich hatte auf einem Flohmarkt hier bei uns eine schöne Handtasche günstig gekauft und nahm sie mit. Sie war groß genug, um mein Handgepäck ausgiebig zu ergänzen. Am Flughafen machte meine Tasche die Drogenspürhunde unruhig und sie schlugen an. Alle Blicke waren auf mich gerichtet, mein Mann war entsetzt und schimpfte; was hast du da denn mit genommen? Ich war völlig ahnungslos! Meine Tasche wurde komplett zerlegt, es wurde nichts gefunden. Aber die Vorbesitzerin meiner Tasche hatte darin scheinbar Haschisch gelagert und der Geruch war allgegenwärtig. Darauf schlugen die Hunde an und ich hatte ein großes Problem! Zum Glück klärte es sich und wir waren erleichtert.
Insgesamt blieb ich sechs Jahre in den Staaten, die letzten mit Kind. Mein Mann John hatte sich nach einer Weile verändert, die vielen Einsätze in den Kriegsgebieten hinterließen böse Spuren. Vorallem als er aus Afghanistan zurück kam, bemerkte ich deutlich die Veränderung. Ich hielt seine Aggressionen und Ausbrüche nicht mehr aus und wollte weg. Wieder war ich auf der Flucht, jetzt nicht mehr als Kind, sondern als Mutter mit Kind! Eine ebenfalls aus Deutschland stammende Nachbarin, die auch in El Paso lebte, half mir in einer spektakulären Aktion zum Airport zu kommen. Diesmal war es nicht so einfach, mittels Navy Frachtmaschine umsonst aus zu reisen, sondern meine Schwester hatte von zu Hause aus alles geregelt. Mein Ticket lag am Schalter bereit, ich musste nur einchecken und weg. Natürlich war mein Ehemann wütend und versuchte mich mit Hilfe der MP (Militäry Police) auf zu spüren und fest zu setzen. Ich hatte Glück, es gelang ihm nicht. In Mannheim bei meiner Familie waren mein Sohn und ich endlich in Sicherheit und wollten auch nie wieder weg.
Und doch zog es mich wieder in die Ferne, nämlich nach Ostfriesland, in die Nähe von Aurich. Nach meiner Scheidung hatte ich einen netten Ostfriesen kennen gelernt, wo ich endlich wieder Ruhe und Vertrauen fand, sowie eine tolle Arbeitsstelle. Mittlerweile leben wir fast zehn Jahre zusammen und ich habe vor einiger Zeit sogar meine Mutter nach Aurich geholt. Es ist schön, von so vielen netten und liebevollen Menschen umgeben zu sein, besser spät, als nie! Meine persönliche Auricher Sternstunde!