Kleine Hommage an unsere liebenswerte Stadt

Wenn ich in heutigen Tagen durch die Fockenbollwerkstraße fahre, die leider zur Zeit eine Dauerbaustelle ist, fällt mein Blick immer auf eine alte etwas verfallene Villa gegenüber der Straße „Am Ostbahnhof“. Hier habe ich meine ersten Wochen als Berufsanfängerin verbracht vor langer Zeit. Eine kleine Dienststelle des Fernmeldeamtes in Leer, wo ich noch wohnte, befand sich in diesen Räumen. Morgens um sechs Uhr fuhr der Bus. Es war meine erste Begegnung mit der Stadt Aurich.
Ich war damals die einzige Frau unter Männern und ich darf sagen, dass mir in dieser Zeit meiner Urlaubsvertretung niemand zu nahe getreten ist! Ganz im Gegenteil! Alle waren sehr nett zu mir! Wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, befand sich schräg gegenüber der Villa auf der anderen Straßenseite eine Gaststätte oder Kneipe. Ab und an war bei den Kollegen immer eine kleine „schöpferische“ Pause fällig, um Energie zu „tanken“ und ich hatte die Aufgabe, sie derweil am Telefon zu verleugnen und die Anrufer oder Anruferinnen zu vertrösten, weil eben niemand greifbar war, sondern im Moment „leider“ außer Haus… Dafür durfte ich am Nachmittag eine Viertelstunde eher gehen, um noch den Bus nach Leer zu bekommen, auf den ich sonst hätte 1 Stunde warten müssen, was sehr in meinem Sinne war. Die Tage waren eher lustig dort und oft gab es etwas zum Lachen! Meine Beschäftigung auf dieser Dienststelle dauerte aber nur wenige Wochen, dann endete meine Vertretung und ich begann meine Tätigkeit beim Fernmeldeamt in Leer. Aber diese Auricher Zeit ist mir immer positiv im Gedächtnis geblieben und ich wünsche mir jedes Mal, wenn ich an der alten, jetzt ziemlich vernachlässigten Villa vorbeifahre, dass dieses ehemalige Schmuckstück eines Tages wieder in seiner alten Pracht erstrahlen möge! Nie hätte ich seinerzeit gedacht, dass die eher beschauliche Stadt später einmal zu meinem Lebensmittelpunkt werden würde…
„Unsere liebe kleine Stadt“, hat sie der Autor Hinrich Schoolmann in seinem Büchlein genannt. Und ihre Freundlichkeit hat Spuren hinterlassen. Mein Leben nahm weiter Fahrt auf und der Liebe wegen verschlug es mich nach unserer Hochzeit in die Universitätsstadt Marburg nach Hessen, wo mein Mann sein Studium begonnen hatte. Ich arbeitete zunächst in Giessen bei der Post und dann in Marburg, wo ich mir eine neue Arbeitsstelle suchte wegen der Fahrerei und des vorherigen Schichtdienstes. Dann schlug das Schicksal zu. Meine Mutter starb viel zu jung mit 46 Jahren an einer schweren Krankheit. Das war unfassbar und eine unglaubliche Zäsur in meinem Leben und in unserem Leben zu zweit. Wir fuhren so oft es möglich war neben Arbeit und Studium, nach Ostfriesland. Die Schwiegereltern, mein Vater und meine Oma wurden älter und so beschlossen wir, nach erfolgreich abgeschlossenem Jura-Studium und der Referendarzeit meines Mannes wieder in die Heimat zu ziehen, um uns mehr kümmern zu können, und zwar nach Aurich, wo sich das Landgericht befand, an dem mein Mann nach der Bewerbung sein Berufsleben begann. Für mich war es wie ein „Zurückkommen“ an einen vertrauten Ort, der mich in seine Arme nahm. Wir haben diesen Schritt nie bereut. Inzwischen sind Jahrzehnte vergangen, in denen wir in dieser gemütlichen und liebenswerten Stadt mit ihrem Charme unser Dasein führen, ein Haus bewohnen und unser Leben gestalten. Hier wuchsen unsere beiden Kinder auf, verließen die Heimat für ein Studium, um dann nach vielen Jahren in der Großstadt wieder mit ihren Partnern in die „alte“ Heimat zu kommen nach Aurich. „Zurück zu den Wurzeln“ sozusagen. Ein Enkelkind wächst hier wenige Straßen von uns entfernt auf und wir selber leben in einer wunderbaren hilfsbereiten Nachbarschaft, in der wir uns alle untereinander gut verstehen. Alles weiß Gott nicht selbstverständlich! So hat sich der Kreis geschlossen und ich schaue mit großer Dankbarkeit zurück und empfinde die vor vielen Jahren getroffene Entscheidung, zurück nach Aurich zu ziehen in die Stadt, die gelegen ist im Herzen Ostfrieslands und nahe der Nordseeküste, im Nachhinein durchaus als eine wahre Sternstunde von vielen, die unser Leben nachhaltig geprägt haben.