60 Minuten

60 Minuten, also 1 Stunde die ich nun bewusst mit kleinen Momenten füllen möchte, Momente voller Dankbarkeit, Freude, Glückseeligkeit, Freundschaft, Wertschätzung, Begegnung die so lebensverändernd waren, dass sie nachhaltig Auswirkungen auf mein Tun und Handeln haben, die zum Um- und Bedenken anregen, Entscheidungen, die zum voran kommen zu treffen waren. So reise ich nun gedanklich in der Zeit zurück und ich muss weit aus mehr als ein Jahr zurück legen um an den Punkt zu kommen, wo, wie man so schön sagt, das Schicksal seinen Lauf nahm. Die Weichen für diesen Moment wurde schon viel früher gestellt, aber dies würde zu weit führen. Ich sehe mich gemeinsam mit meiner Mama auf dem Balkon sitzen, wir rauchen gemeinsam eine Zigarette, ich erzähle ihr von meiner neuen Beziehung, erzähle ihr, das dieser Mensch einige Lasten mit sich trägt und meine Mama sagt zu mir, solange ich glücklich bin und meine Beziehung mir nicht schade, seie es ihr völlig egal, welches Geschlecht, welche Herkunft oder welche Religion, welche Lasten, nur solle es bitte nie eine Fernbeziehung sein. Nun, man hätte meinen können, meine Mama wüsste, dass mein Wesen stets nachdem strebte, was sie mir nicht riet. Ich springe weiter voran, die damalige Beziehung hielt nicht lange und es sinnte mir nicht nach einer festen Bindung, bis alles anders kam, als ich es mir vorgestellt hatte. Ich kannte den Typen, wir hatten uns oft bei Familienfeiern bereits getroffen, verstanden uns gut, wir besuchten und gegenseitig. Er wohnte damals in Wolfsburg, ich in Wertheim, über 400km lagen zwischen uns. Immer wieder kamen mir die Worte meiner Mama in den Sinn und obwohl ich ihren Rat und ihre Worte sehr schätze, ignorierte ich sie in diesem Fall. So kam es, wie es kommen musste und wir wurden 2016 ein Paar. 2017 beendete ich meine Ausbildung und zog direkt im Anschluss zu ihm nach Wolfsburg. Ein erster Schritt auf dem Weg der mich dahin führte, wo ich jetzt stehe. Es folgte einige schwere Entscheidungen, die getroffen werden mussten, einige schicksalhafte Umstände, damit das Leben mich in die richtige Richtung manövrieren konnte, die Zeit nach dem Umzug, entwickelte sich zu einer schwierigen, langwierigen Phase, in der ich gefühlt, den Bezug zu mir verlor. 2018 steckte voller Höhen und Tiefen, es war aber auch prägend für meinen Weg. Erst mussten wir unsere Hündin einschläfern, was dazu führte, dass unsere jetzige Hündin zu uns fand. Wegen ihr, gingen wir in die Hundeschule, so lernten wir dank des Hundetrainers die Eigentümerin des Hauses kennen, das wir kauften. So heirateten wir 2018 und zogen 2019 in das Haus, das wir in dem Moment dringend brauchen, das uns die nötige Ruhe brachte, aber das nie das Gefühl eines lebenslangen Zuhauses in mir weckte. 2020 wurden wir überraschend und unverhofft mit der größten und schönsten Nachricht überrumpelt- wir erwarten ein Kind. Etwas zu früh und mehr als willkommen erblickte Ende November unser Sohn das Licht der Erde. 2021 war dann definitiv kein leichtes Jahr, emotional, mental, körperlich – alles hatte sich grundlegend geändert, ich hatte mich ge- und verändert. Damit klar zu kommen war nicht leicht. Hinzu kam, dass auf einmal alles so begrenzt war, die Zeit, das Geld, die Energie, die Motivation. Überall musste man Abstriche machen. Die Unzufriedenheit wuchs und der Wunsch nach unbeschwerten Momenten wurde immer größer. Als ich an einem Punkt war, andem ich bereits mit einem „Aufbruch ins Neue“ spielte – neuer Job, eigene Wohnung, Abstand, Trennung – kam Anfang 2022 mein Mann mit der Nachricht um die Ecke, dass seine Firma Personal von Wolfsburg nach Emden versetzen möchte und dafür einen entsprechenden Bonus zahlen würde. Es folgte eine logisch klare, schnell zutreffende aber keinesfalls leichte Entscheidung – wir werden in wenigen Monaten nach Emden ziehen. Das Haus haben wir verkauft und die Entfernungen zur Familie wurde noch größer werden, mein Job, indem ich gerade nach der Elternzeit erst wieder eingestiegen war, habe ich gekündigt, den Platz bei der Tagesmutter, bei der unser Sohn gerade ein Vertrauen entwickelt hatte musste ebenfalls von mir gekündigt werden. Es gab definitiv viele Unsicherheiten, viele Tränen, Wut, aber auch Freude und Aufregung. Im Juni 2022 stiegen wir aus dem vollgepackten Auto und ich blickte auf unser neues „Zuhause“ – Blöcke von Mehrfamilienhäusern aneinander gereiht, wie ein eigenes Viertel. Mir schnürte es die Kehle zu, am liebsten hätte ich mein Sohn geschnappt und wäre prompt wieder zurück gefahren ins unser altes Leben, doch das gab es nicht mehr. Es bleibt keine andere Option, als sich mit den Gegebenheiten abzufinden. Praktisch umgehend machten wir uns auf die Suche nach einem kleinen Häuschen, irgendwas zur Miete mit Garten, irgendwo, wo wir zur Ruhe kommen können, wo wir ankommen können. Im August gab es endlich einen Lichtblick – Doppelhaushälfte, Südbrookmerland, ziemlich mittig zwischen Emden und Aurich, kleiner Garten, ruhige Lage – perfekt. Als wir die Zusage erhielten konnten wir unser Glück nicht fassen, endlich bot sich uns die Möglichkeit in unserer Wahlheimat, die wir inzwischen sehr lieben gelernt hatten, uns ein Zuhause einzurichten und Fuß zu fassen, denn nun, wo wir wussten, wohin wir ziehen würden, konnten wir auch die Themen Hausarzt, Kindergartenplatz, Kinderturnen und einen neuen Job für mich angehen. Den Umzug und die Renovierung musste mein Mann quasi im Alleingang managen, schmerzlich wurde uns da bewusst, wie wichtig doch Freunde und Familie bei solchen Aktionen sind. Ich bin unglaublich stolz auf uns, dass wir das gemeinsam schaffen konnten, selbstverständlich gab es viel Unmut, Missverständnisse und Tränen, aber wir sind in unser neues Zuhause eingezogen. Etwas über einen Monat mussten wir ohne Küche klarkommen – spannendes Abenteuer ohne Spülbecken und Ofen, bei dem die Wertschätzung für diese Dinge enorm stieg – und dann wurde sie eingebaut, unsere ersten selbst ausgesuchte, nach unseren Wünschen angepasste Küche und ich kann noch heute kaum glauben, wenn ich in der Küche stehe, wie sehr sie doch zu uns passt. So langsam begannen sich die Dinge zum Guten zu wenden, Sätze wie „alle Dinge wirken zum Besten“ und „das Universum arbeitet nicht gegen mich, es bereitet meinen Weg“ wurden mein Mantras. Es nagte schwer in mir, „nur“ Zuhause zu sein. Ich wollte für mich und unseren Sohn auch einen geregelten Alltag, ich wünschte mir für ihn Abwechslung, Kinder zum Spielen und für mich neue Herausforderungen, eine erfüllende Tätigkeit und andere Themen wie das Familienleben. Zwischen Weihnachten 2022 und Silvester habe ich das erste mal ein Visionboard erstellt und meine Träume in Bildern festgehalten – ein Spielplatzfoto stellvertretend fürs den Kindergartenplatz, ein Schreibtisch voller Unterlagen sinnhaft für den neuen Job, ein Flyer für eine Fährfahrt auf eine Insel, da ich mich meiner Angst hiervor stellen wollte und ein paar andere Dinge. Nun begann das Jahr 2023, ich spürte, das es Veränderungen mit sich bringen würde, in welchem Ausmaß war mir nicht bewusst. Das Jahr war gerade Mal ein paar Tage alt, da erlebte ich die mein erstes kleines Wunder und zwar ganz unverhofft. Ich scrolle durch eBay Kleinanzeigen, eigentlich auf der Suche nach etwas ganz anderem, als mir eine Stellenanzeige angezeigt wurde. Bürokraft, für ein paar Stunden in der Woche, flexible Arbeitszeiten, Südbrookmerland – das waren die Kernaussagen. Es war mitten in der Nacht und ich schrieb direkt drauf los, erklärte meine Situation und das ich schichtversetzt zu meinem Mann arbeiten müsste. Am nächsten Morgen ging ich gerade mit Hund und Kind spazieren, da sah ich zum ersten Mal in meinem Leben einen Eisvogel. Kurze Zeit später kam bereits die Rückmeldung zu meiner Anfrage – ich könne spontan heute Nachmittag vorbeikommen. Diese unglaubliche Spontanität überforderte mich maßlos, was sollte ich anziehen, habe ich saubere Schuhe, muss ich noch duschen? Eilig wusch ich meine Schuhe, schnappte mir eine Bluse, eine frische Jeans – Haare offen oder strenger Dutt? Mir fiel es schwer einen klaren Gedanken zu fassen, alles ging so schnell, dass für Überlegungen keine Zeit war und dann stand ich da, vor einem großen aber nicht „bodenständigen“ Haus. Vor Nervosität war mir leicht schwindelig, immer wieder sagte ich mir, wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Ich klingelte. Einmal tief einatmen und dann näherte sich jemand der Tür, ein freundliches Lächeln kam mir entgegen, einladen, entwaffnend. Das Vorstellungsgespräch, wobei ich es so gar nicht nennen würde, es war eher ein Abgleich von Interessen und Konditionen im Rahmen eines freundlichen offenen Gesprächs, brannte sich bei mir positiv ein, nie zuvor hatte ich so offen herzliche und ehrliche Menschen kennengelernt. Nun, zwei Tage später, innerlich keimte bereits der Gedanke auf, ob der positive Eindruck vielleicht doch nur einseitig war, sah ich erneut einen Eisvogel, als ich mit Hund und Kind spazieren ging. Kurze Zeit später kam der Anruf – ich könne sehr gerne anfangen zu arbeiten. Es war, als hätte jemand einen Bann gebrochen. Auf einmal durfte ich so viel positives erleben. Unser Sohn bekam einen Platz im Kindergarten den wir absolut prorisiert hatten und ich konnte versetzt zu den Zeiten meines Mannes arbeiten. Innerhalb kürzester Zeit wurden aus zwei bis drei Mal die Woche eine fünf Tage Woche, mehr jedoch wuchs eine tiefe Verbundenheit den Menschen gegenüber, die mir diese Chance baten. Diese Verbindung wurde in kürzester Zeit stark und tiefgreifend, man baute auf einander auch abseits des Schreibtisches. Ich durfte Teil eines ganz besonderen Ereignisses meiner „Chefin“ sein, lud sie und ihre Kinder zum Geburtstag meines Sohnes ein und erst heute durfte ich sie zu einem wunderschönen Gottesdienst begleiten. Eines der heute gesungenen Lieder könnte mein Jahr, die vielen kleinen Wunder, die entstandenen Bände und die gegenseitige Wertschätzung nicht besser auf den Punkt bringen – wo Menschen sich vergessen, die Wege verlassen und neu beginnen, ganz neu, da berühren sich Himmel und Erde… Ich musste mein altes Leben hinter mir lassen, über meinen Schatten springen, geduldig sein und auf das Leben vertrauen und wurde mit mehr beschenkt, als ich es mir je erträumen hätte können, mit mehr, als es Reichtum jemals aufwiegen könnte – mit Freundschaft, Wertschätzung, Augenhöhe und einer Perspektive. Ganz sicher hatte ich eher Sternenstunden dieses Jahr, die ich gemeinsam mit echten Herzensmenschen, mit meiner Familie und an diesem wundervollen Fleckchen Erde verbringen durfte. Ich kann gar nicht in Worte fassen, welche tiefe Dankbarkeit mich ergreift, hier Leben zu dürfen, so unglaublich inspirierende Menschen begegnet zu sein und mich selbst neu kennengelernt zu haben. Danke an alle, die dafür sorgten, dass ich heute hier stehen darf, an alle Wegbegleiter, an alle Wegbereiter. Lange und oft konnte ich nicht erkennen, warum die Dinge so passierten, warum irgendwie alles den Bach hinunter ging, warum alles immer so schwer und kompliziert sein musste, jetzt mit dem gewissen Abstand weiß ich, es waren Zwischenziele, die ich erreichen musste, damit mein Weg mich dorthin führt, wo mein Herz Zuhause ist, wo ich willkommen bin, wo ich mich selbst wiederfinde – hier in Ostfriesland. Ich wünsche Ihnen allen ein gesegnete Weihnachtsfest, jemanden der Ihnen zuhört, der Sie und Ihr Tun, Ihre Erfahrung, Ihr Wissen, Ihr Können schätzt, der Sie als Mensch schätzt, denn seien Sie sich gewiss, Sie sind es wert, Sie haben es verdient. Kommen Sie gut ins neue Jahr und bleiben Sie gesund.